Durch eine asphalitierte Einakufsstraße laufen verschiedenste Personen mit Einkaufstüten.
Jan Antonin Kolar / unsplash

Wie lebendig schlagen die Herzen unserer Innenstädte? Antworten gibt das IFH Köln


Dr. Markus Preißner IFH Köln

Shopping, Theater, Kino, Arztbesuch oder Lust auf Abenteuer im Getümmel der Innenstadt? Was treibt dich ins Zentrum deiner Nachbarschaft und was wünschst du dir von Deutschlands Innenstädten? Alle zwei Jahre veröffentlicht das Institut für Handelsforschung Köln (IFH Köln) die Studie „Vitale Innenstädte” und geht diesen Fragen auf den Grund. Ende letzten Jahres wurden in 111 deutschen  Innenstädten dafür 69.000 Passant:innen befragt. Dr. Markus Preißner ist wissenschaftlicher Leiter am IFH Köln und Mitautor der Studie. Im Rahmen unserer Aktionsmonate für mehr lokale Ladenvielfalt bei nebenan.de durften wir ihm unsere Fragen rund um Besuchsmotive, alternative Nutzungsformen, Empfehlungen und den Zustand unserer Innenstädte stellen.

Wie haben sich die Bewertungen der deutschen Innenstädte im Vergleich zu den Vorjahren entwickelt?

Dr. Markus Preißner: Erfreulicherweise haben sich die Bewertungen in den vergangenen Jahren im Städtedurchschnitt leicht verbessert. 2020 lag der Gesamtdurchschnitt bei der Bewertung des Einzelhandelsangebots in deutschen Innenstädten bei einer Schulnote 2,5. Bei unserer Befragung im letzten Jahr 2022 haben sich die Städte auf eine 2,4 verbessert. Die Besucher:innen bewerten also das Engagement und die Maßnahmen, die in und für die Innenstädte ergriffen werden, sehr positiv. Natürlich gibt es aber auch Innenstädte, die sich in ihren Bewertungen im Zeitablauf verschlechtert haben oder die auf der Stelle treten.

Welche Faktoren haben zur Attraktivitätssteigerung der Innenstädte beigetragen?

Dr. Markus Preißner: Auch wenn jede Innenstadt individuell zu betrachten ist, so zeigt sich doch, dass die Themen Aufenthaltsqualität und Erlebniswert in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen haben, wenn es um die Attraktivität einer Innenstadt geht. Und diese Entwicklung wird sich auch fortsetzen.

Innenstädte entwickeln sich immer stärker vom fast monofunktionalen Einkaufsraum zum multifunktionalen Lebensraum, also zu Orten, an denen verweilt, kommuniziert und interagiert wird.

Obwohl der Einkaufsbummel nach wie vor das dominierende Besuchsmotiv in den Innenstädten ist, hat die Gastronomie deutlich an Bedeutung gewonnen.

Wie kann die Innenstadtgestaltung auf diese veränderten Besuchsmotive reagieren und multifunktionaler werden?

Dr. Markus Preißner: Ja, der Gastronomiebesuch gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das gilt aber auch für die Nutzung anderer Angebote abseits des Handels, beispielsweise aus den Bereichen Kunst, Kultur und Unterhaltung oder auch von Sport- und Spielangeboten - indoor wie outdoor. Entsprechend sind Innenstadtverantwortliche gefordert, den sich wandelnden Besuchsmotiven gerecht zu werden und ein besucherorientiertes Ansiedlungsmanagement zu betreiben. Auch mit attraktiven Handelsformaten.

Dabei müssen alle an einem Strang ziehen, beispielsweise die Stadt, die Immobilienwirtschaft und die Akteure, die die Innenstädte mit ihren Angeboten bespielen.

Wie haben sich die Besuchsfrequenzen im Vergleich zu den Werten vor der Pandemie entwickelt?

Dr. Markus Preißner: Erfreulicherweise sind die Frequenzen in den Innenstädten von 2021 auf 2022 wieder deutlich angestiegen - im Vergleich zum vorpandemischen Jahr 2019 ist vielerorts aber eine Frequenzlücke geblieben. Diese gilt es zu schließen. Auch mit neuen Angeboten, hoher Aufenthaltsqualität, guter Erreichbarkeit etc. Denn reine Versorgungskäufe werden immer häufiger online getätigt - das Onlinewachstum wurde durch die Pandemie enorm befeuert. Dennoch sind Innenstädte auch bei Onlineshopper:innen beliebt - vorausgesetzt die Rahmenbedingungen und Angebote stimmen.

In der Analyse der Studie wurde festgestellt, dass viele Passant:innen kritisch auf ihre jeweilige Stadt blicken und es wenig Weiterempfehlungen gibt.

Welche Strategien können dazu beitragen, die Wahrnehmung von Innenstädten zu verbessern und mehr positive Empfehlungen zu generieren? 

Dr. Markus Preißner: Das kann man so nicht stehen lassen. Rund jede vierte Stadt erzielt hohe Weiterempfehlungsraten, in jeder zweiten Innenstadt ist die Anzahl der Fans zumindest höher als die der kritischen Besucher:innen. Doch für die verbleibenden Städte ist es richtig, dass sich hier in Sachen Weiterempfehlungen einiges tun muss. Schlüsselfaktoren sind hierbei wiederum die Aufenthaltsqualität und der Erlebniswert inklusive Veranstaltungen, aber auch das innerstädtische Angebot vom Handel über die Gastronomie bis zum Freizeit-, Kultur- und Dienstleistungsangebot. Gleichzeitzeig müssen potentiell schlechte bzw. kritische Erlebnisse vermieden werden, das fängt bei einer schlechten Erreichbarkeit an und mündet in mangelnder Sauberkeit und Sicherheit oder fehlenden öffentlichen Toiletten und Sitzgelegenheiten.

Mit den Aktionsmonaten für mehr lokale Ladenvielfalt bei nebnan.de möchten wir Nachbar:innen dazu ermutigen, die vielfältigen Angebote in Innenstädten zu entdecken und zu unterstützen. Gemeinsam können wir dem Trend der Verödung und Gleichförmigkeit entgegentreten und eine lebendige, lebenswerte Umgebung für uns und zukünftige Generationen schaffen. Deshalb lautet unser Motto: Kauf lokal!

Ergeben sich aus den Daten der Studie konkrete neue Ansätze, um die deutschen Innenstädte zukunftsfähig zu machen?

Dr. Markus Preißner: Die Weiterentwicklung und kritische Auseinandersetzung mit unseren Innenstädten hören nie auf!

Es müssen konsequent Daten herangezogen, neu erhoben und miteinander kombiniert werden, um eine fundierte Datenbasis für gute Entscheidungen zu schaffen. Erfreulicherweise werden Entscheidungen - auch im innerstädtischen Kontext - zunehmend auf der Basis von Daten getroffen. Einen Blindflug haben immer mehr Kommunen und Akteure satt.

Wie wird die lokale Angebotsvielfalt bewertet? Sind die Passant:innen mit ihrer Gewerbeauswahl in der Innenstadt zufrieden?

Dr. Markus Preißner: Manche Innenstädte schneiden bei der Bewertung ihres Angebots wirklich gut ab, andere wiederum nicht.

Durchschnittlich kamen deutsche Städte 2022 in puncto Einzelhandelsangebot auf eine Schulnote von 2,4 – damit zeigt sich eine leichte Verbesserung gegenüber 2020, wo es noch eine 2,5 war.

Aber: Aktuell sind es unter dem Strich mehr Städte, die Nachholbedarf und auch mit Leerständen zu kämpfen haben. In solchen Fällen muss vor allem die Neuansiedlung von attraktiven Nutzungskonzepten in Städten professionalisiert werden.

Andernfalls drohen sogenannte Trading-Down-Effekte, bei denen sich Innenstädte durch Leerstände und „minderwertige“ Nutzungen im Angebot immer weiter verschlechtern und negative Bewertungen hervorrufen, was mittelfristig wiederum zu Frequenzeinbußen und weiteren Leerständen führen wird.

Welche Bedeutung hat die Nahversorgung, d.h. die Geschäfte des täglichen Bedarfs in der Nähe, für die Bewertung der Innenstadt?

Ergab sich aus den Daten ein Zusammenhang zwischen fehlenden Nahversorgungsangeboten in der Innenstadt und der Unzufriedenheit der Befragten?

Hier lässt sich erwartungsgemäß kein pauschaler Zusammenhang feststellen. Es hängt davon ab, welche Funktionen eine Innenstadt für die Besucher:innen übernehmen soll. Steht hier das Thema Nahversorgung an einer der obersten Stellen, dann ist das entsprechende Angebot für die Attraktivitätsbewertung hochrelevant. In besonderer Weise gilt dies für kleine und mittelgroße Städte sowie für Quartiere und Stadtteilzentren von Großstädten.

Aber auch in großstädtischen Innenstädten ist heutzutage darauf zu achten, dass auch das Nahversorgungssortiment stimmt, insbesondere wenn dort nicht nur konsumiert, sondern auch gewohnt, gearbeitet und gelernt oder schlichtweg gelebt werden soll.

Was fehlt dir in deiner Nachbarschaft und was macht sie für dich besonders? Tausche dich bei nebenan.de mit deinen Nachbar:innen aus und gib den ersten Anstoß für eine Veränderung

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