Stell dir vor, du kommst von einem langen Arbeitstag nach Hause, freust dich auf einen entspannten Abend in deinem Zuhause, und dann – klingeln wildfremde Menschen bei dir, weil sie deine Wohnung besichtigen möchten, da sie Interesse am Kauf des ganzen Hauses haben. Oder mindestens genauso überraschend: Du entdeckst beim Surfen auf einer Immobilienplattform „dein“ Wohnhaus als Verkaufsobjekt. Solche Szenarien sind für viele Mieter:innen in Städten Alltag, die unangekündigt von den Verkaufsabsichten ihrer Vermieter:innen erfahren.
Dein Zuhause – deine Entscheidung
Warum wird ein Wohnhaus überhaupt verkauft? In Leipzig, wie in vielen anderen Städten auch, hängt der Verkauf eines Hauses oft mit einem Generationenwechsel innerhalb der Eigentümerfamilien zusammen. Wenn mehrere Erb:innen einer Immobilie keine gemeinsame Linie für die Zukunft finden, kann es zum Bruch mit der familiären Tradition des Hausbesitzes kommen. Als Käufer:innen des Hauses treten nicht selten Immobilienfonds oder Aktiengesellschaften auf. Mieterhöhungen oder gar Verdrängung von Mieter:innen können die Folgen sein.
Aber das muss nicht das Ende der Geschichte sein! Hier in Leipzig zeigen wir, dass es auch anders geht. Wenn wir als Nachbarschaft zusammenstehen und unser Haus selbst kaufen, können wir selbst bestimmen, was mit unserem Zuhause passiert. Statt abzuwarten, können wir aktiv werden und sicherstellen, dass unsere Nachbarschaft so bunt und lebenswert bleibt, wie wir sie schätzen. Das Netzwerk Leipziger Freiheit (NLF) hat bereits vielen Mieter:innengemeinschaften geholfen, selbst die Initiative zu ergreifen.
„Es war uns sehr wichtig, dass alle mitmachen können, die hier wohnen bleiben möchten. Deshalb sind wir dann Richtung Gemeinschaftseigentum und Genossenschaft gegangen. Die Gründung einer Genossenschaft ist mit ein bisschen Bürokratie verbunden, aber wir haben an der Stelle zum Glück eine sehr gute Beratung vom Netzwerk Leipziger Freiheit erhalten.“
- Vertreterin eines Wohnprojektes
Gemeinsam stark: Von Mieter:in zum Miteigentümer:in mit dem NLF
Die Stadt Leipzig hat mit dem Netzwerk Leipziger Freiheit (NLF) eine Beratungsstruktur für den Kauf durch Mieter:innen in der Gemeinschaft etabliert. Ein Team aus Allround-Konzeptberater:innen, Architekt:innen, Jurist:innen und Steuerberater:innen bietet seine Expertise kostenlos an. Unabhängig davon, ob du Mieter:in oder Eigentümer:in bist, kannst du hier auf professionelles Wissen unbürokratisch zugreifen. Das spart Kosten und Zeit bei den Kaufverhandlungen.
Das NLF zieht seine langjährige Erfahrung heran, unterstützt vom Leipziger Amt für Wohnungsbau und Stadterneuerung, um eine positive Dynamik zwischen den Beteiligten zu schaffen. In Leipzig werden etwa 150 Wohnhäuser direkt von ihren Bewohner:innen verwaltet, was zu stabilen und nachhaltigen Wohnverhältnissen beiträgt. Keines der vom NLF beratenen Wohnprojekte musste bisher Insolvenz anmelden, was die Effektivität dieses Modells unterstreicht. Als öffentliche Gesprächsplattform bietet das NLF im Rahmen des “Stadtdialogs” Podiumsdiskussionen zu Themen wie „Gemeinschaftliches Bauen & Wohnen: Was bringt‘s der Stadt?” und “Mieter:innen kaufen ihr Haus – Na klar”.
Für diejenigen, die daran interessiert sind, ihr gemietetes Zuhause zu kaufen, bietet die Stadt Leipzig seit diesem Jahr zusätzliche Unterstützung durch ein Förderprogramm. Mietergemeinschaften, die erwägen, „ihr“ Haus zu erwerben, können von kommunalen Zuschüssen profitieren. Das Netzwerk Leipziger Freiheit steht bereit, um Fragen zu beantworten und die notwendige Beratung zu liefern.
Die drei besten Gründe, um das NLF zu nutzen:
Fehler können vermieden werden.
Dadurch wird Zeit gewonnen und Geld gespart.
Die Beratung ist kostenfrei und wird zu 100 % von der Stadt Leipzig finanziert.
Der Weg zum gemeinschaftlich-selbstverwaltenden Haus
Die erste Nachricht vom Verkauf des Hauses ruft oft Unsicherheit, Zukunftsängste sowie den Wunsch nach mehr Informationen und Austausch hervor. Um dir einen ersten Überblick zu verschaffen, welche Schritte auf die zukünftige Mieter:innengemeinschaft zukommen, hat das Netzwerk Leipziger Freiheit einen kleinen Leitfaden erstellt. Hier sind die wichtigsten Punkte für dich zusammengefasst:
Schritt 1: Miteinander reden
Wenn Unsicherheit herrscht, ist der erste Schritt, das Gespräch mit den Nachbar:innen zu suchen. Ein gemeinsames Treffen kann helfen zu klären, wie lange jede:r im Haus wohnt, wie die Situation bezüglich des Verkaufs aussieht und ob ein Kauf durch die Mieterschaft realistisch und finanzierbar ist. Solche Gespräche zeigen oft schon, ob das Modell „Mieter:innen kaufen ihr Haus“ machbar ist.
Schritt 2: Beratung suchen
Als zentrale Anlaufstellen für bezahlbares & kooperatives Bauen & Wohnen in Leipzig dient das Netzwerk Leipziger Freiheit. Die Kontaktaufnahme zum Netzwerk ist unkompliziert, ein Anruf oder eine E-Mail genügt.
Schritt 3: Kontaktaufnahme zur Eigentümerin oder zum Eigentümer
Mit Zustimmung der Eigentümerin oder des Eigentümers kann ein Sondierungsgespräch geführt und eine exklusive Verhandlungsvereinbarung getroffen werden, woraufhin das NLF-Beratungsprogramm startet. Scheitert das Gespräch, können Mieter:innen sich auf ihre Rechte berufen und beim Deutschen Mieterbund – Mieterverein Leipzig e.V. Unterstützung finden.
Schritt 4: Findungsphase
Diskutiert zuerst die Ziele und Wünsche aller, bevor eine Rechtsform gewählt wird. Ein Besuch bei bestehenden Wohnprojekten kann hilfreich sein, um zu verstehen, wie andere es machen und ob das auch für die eigene Gruppe passt. Diese Diskussionen sind entscheidend, um grundlegende Fragen zu Finanzen, Mitbestimmung und dem baulichen Zustand des Hauses zu klären, bevor man sich auf ein spezifisches Organisationsmodell festlegt.
Schritt 5: Klärung Finanzierung
Der Bankkreditvertrag für den Hauskauf sollte zum Kauftermin ausgehandelt und fixiert sein. Dafür ist es wichtig, frühzeitig mit den Eckdaten des Hauses und einer Projektbeschreibung Banken oder andere Finanzierungspartner wie Stiftungen zu kontaktieren. Je nach gewählter Rechtsform unterscheiden sich die Kreditverhandlungen: Bei Mietergemeinschaften wird gemeinschaftlich für das gesamte Haus verhandelt, während bei Baugruppenmodellen jede Person individuell mit den Finanzpartnern verhandelt.
Schritt 6: Finale Verhandlungsphase & Gründung der Rechtsform
An diesem Punkt haben sich beide Verhandlungsparteien auf einen fairen Kaufpreis geeinigt, der von der Mietergemeinschaft verwaltet wird. Zusammen mit dem Netzwerk Leipziger Freiheit wurde gemeinsam berechnet, was das Haus maximal kosten darf, damit es für alle Mietparteien bezahlbar bleibt. Bei der Bildung von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) kauft die Gemeinschaft zunächst das Haus gemeinsam und regelt später die Nutzungsdetails.
Schritt 7: Kauf bzw. Eigentumsübertragung
Der letzte Schritt, bevor die Mieter:innen zusammen mit den bisherigen Eigentümer:innen das große Gründungsfest feiern können, besteht im Aufsetzen und notariellen Beurkunden des Kaufvertrags. Nach dieser Formalität wird die Mieter:innengemeinschaft als neuer Eigentümer im Grundbuch eingetragen, woraufhin die Übergabe des Hauses erfolgt. Glückwunsch!
Gemeinsam stärker: Lass dich vom Netzwerk Leipziger Freiheit kostenlos beraten und gestalte deine Zukunft im eigenen Zuhause mit!
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