Bild: C. Kotschubin
Bild: C. Kotschubin

Ärger mit den Nachbarn – so kannst du Konflikte richtig lösen


Wilde Partys, Dreck im Hausflur oder zu laute Musik – es gibt viele Gründe für Streit zwischen Nachbarn. Manchmal eskaliert der Konflikt und wird sogar zum Umzugsgrund. Aber so weit muss es nicht kommen. Christina Kotschubin ist Expertin für Streitschlichtung. Im Interview gibt sie wertvolle Tipps, wie du dich im Streitfall am besten verhältst.

Christina lebt seit drei Jahren in der Braunschweiger Weststadt. Die Mediatorin weiß, dass Konflikte sowohl im digitalen als auch im analogen Raum häufig zum Alltag gehören. In einem Seminar während ihres Jura-Studiums hat sie die „alternative Konfliktlösung“ kennengelernt und anschließend eine Ausbildung zur Mediatorin gemacht. Seither schlichtet sie Konflikte durch richtige Kommunikation statt durch Gerichtsbeschluss.

Auch ihren Nachbarn bei nebenan.de konnte sie schon mit wertvollen Tipps weiterhelfen.

  • Was sind aus deiner Erfahrung die häufigsten Themen, über die Nachbarn streiten?

    Die Streitthemen unter Nachbarn sind tatsächlich die Klassiker: Rasenmähen zur falschen Uhrzeit, Dreck im Treppenhaus oder die offengelassene Haustüre. Oft steckt allerdings mehr dahinter und die Konflikte sind nur Symptome sich überschneidender Interessen.

  • Warum kommt es gerade zwischen Nachbarn so häufig zu Streitigkeiten?

    Unter Nachbarn unterscheiden sich die Lebenswelten stark. Unseren Freunden oder Arbeitskollegen sind wir weitestgehend schon ähnlich und dadurch haben wir ähnliche Erwartungen an sie, wie sie an uns. Mit unseren Nachbarn haben wir oft nicht so viele Gemeinsamkeiten und dadurch sehr unterschiedliche Gewohnheiten und Erwartungen. Die Nachbarn aus der Studenten-WG haben einen komplett anderen Alltag, als die junge Familie oder das Rentnerpaar. Sie haben sehr unterschiedliche Erwartungen an ihr Umfeld – das birgt Konfliktpotential.

  • Welche Tipps kannst du Nachbarn geben, um Konflikte zu lösen, bevor sie im Streit enden?

    Am wichtigsten ist es, bei sich zu bleiben. Denn zu fragen: „Warum macht er das schon wieder?“ ist ein sehr negativer Ausgangspunkt. Der erste Schritt ist, dieses negative Denken abzuschalten und sich zu fragen: „Warum genau stört mich das so sehr?“. Dadurch beschäftige ich mich damit, herauszufinden, welche eigenen Motive im Spiel sind und warum der Nachbar diesen Motiven im Weg steht. So kann ich auf einer ganz anderen Ebene argumentieren – ohne, dass ich den Nachbarn persönlich angreife.

  • Nehmen wir an, der Teenager-Sohn meiner Nachbarn dreht jeden Abend bis nach Mitternacht die Musik so laut, dass die Wände wackeln. Was würdest du mir raten?

    Um deinem Nachbarn erklären zu können, dass du einen Konflikt mit dieser Situation hast, solltest du dich zuerst fragen, warum dich der Lärm stört. Der Grund kann sein, dass du nach einem anstrengenden Arbeitstag ein hohes Bedürfnis nach Ruhe hast, dass du durch den Lärm gestört wirst. So stärkst du deine Position und es fallen dir Argumente ein, wie z.B die Hausordnung, die jeder Mieter zur Rücksichtnahme auf seine Nachbarn bei Abschluss des Mietvertrages akzeptiert hat. Du solltest die Situation eine Weile beobachten. Wenn sich nichts verändert, kannst du aktiv auf die Nachbarn zugehen.

    Wenn du emotional aufgeladen argumentierst und sagst: „Was soll das? Habt ihr euren Sohn denn nicht im Griff?“ erzeugst du eine Abwehrhaltung bei dem Gegenüber. Das wollen wir vermeiden, deshalb ist es wichtig, den Nachbarn nicht mit Vorwürfen persönlich anzugreifen. Erkläre ihnen, warum diese Situation für dich ein Problem darstellt.

    Formuliere eher so: „Ich muss jeden Morgen um 7 Uhr aufstehen und kann bei dem Lärm Ihres Sohnes nicht schlafen. Das macht mir sehr zu schaffen. Können Sie bitte dafür sorgen, dass er die Musik nach 22 Uhr ausschaltet?“ Sprich statt in „Du hast falsch gemacht“-Botschaften, in „Das stört mich, weil“-Botschaften. So entsteht ein Gespräch, in dem es weder um Recht haben noch um richtig oder falsch geht, sondern um gegenseitige Rücksichtnahme.

    Wenn es nicht ausreicht, ein Gespräch mit den Eltern zu führen, kannst du dir deine nächsten Schritte überlegen. Sprich mit anderen Nachbarn, ob diese die Situation auch so einschätzen wie du, wende dich an die Hausverwaltung oder an einen Mediator. Andere Menschen haben andere Ideen und können dich auf weitere Handlungsmöglichkeiten bringen, an die du noch nicht gedacht hast. Dazu gehört auch ein telefonisches Vorgespräch mit einem Mediator.

  • In einer Umfrage vom WDR gab ein Drittel der Befragten an, der Konfrontation mit dem Nachbarn aus dem Weg zu gehen und sich lieber weiter zu ärgern. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

    Es gehört viel Entschlossenheit und Mut dazu, die Konflikte mit dem Nachbarn anzugehen. Vielleicht haben diese Nachbarn das Gefühl, nichts bewirken zu können und wissen gar nicht, wo sie ansetzen sollen. Oft meinen die Beteiligten auch, sie haben keine Zeit dafür. Dadurch stauen sich die negativen Gefühle an und lösen sich nicht einfach in Luft auf.Um Konflikte nachhaltig zu lösen, sollte man aufeinander zugehen und über die Situation reden.

Prozentuale Verteilung: 76% besprechen das Problem, 34% ärgern sich, sagen aber nichts
Ergebnisse der WDR-Umfrage zum Thema "Worüber Nachbarn streiten" (Screenshot: WDR.de)
  • Wenn ich das Problem nicht direkt mit dem Nachbarn lösen kann, kann ich Hilfe von einer neutralen Person – also einer Mediatorin wie dir – in Anspruch nehmen. Was ist bei so einem Gespräch zu beachten?

    Das Konfliktlösungsgespräch ist das mildeste Mittel und viel weniger belastend, als ein ungelöster Konflikt oder ein Gerichtsurteil. Die größte Hürde ist es, beide Parteien an einen Tisch zu bringen. Wenn dieser erste Schritt geschafft ist, sollten nur die unmittelbaren Konfliktbeteiligten am Gespräch teilnehmen. Der Mediator begleitet das Gespräch als neutrale dritte Kraft. Beide Parteien schildern dem Mediator nacheinander ihre Situation, der andere hört erstmal zu.

    Ein Ziel der Mediation ist dann, eine gemeinsame Gesprächsebene zu finden. Die Konfliktbeteiligten sollen erkennen, dass jeder nach Bedürfnissen und Interessen handelt. Auch wenn ich die Interessen meines Gegenübers nicht teile, kann ich verstehen, dass sie sein Verhalten beeinflussen. So ist im ersten Schritt ein sachliches Gespräch möglich. Auf dieser Ebene sind die Konfliktparteien in der Lage, gemeinsam eine Lösung für ihre Situation zu erschaffen.

    Die Mediation ist im Gegensatz zu einem Gerichtsverfahren kostengünstigster und erzielt eine gewinnbringende Lösung für alle Beteiligten, weil sie das Problem an der Wurzel packt und nicht nur die Symptome behandelt.

  • Kann so ein Gespräch auch online stattfinden oder sollte man sich besser ganz analog treffen?

    Das persönliche Gespräch ist auf jeden Fall am effektivsten. Am Telefon oder im Online-Chat sieht man die emotionalen Reaktionen des Gegenübers nicht. Die Körpersprache und der Tonfall verraten sehr viel über die Empfindungen und Gedanken, die hinter den Worten stecken. Durch die Distanz gehen diese Emotionen verloren und Beschimpfungen rutschen leichter über die Lippen.

  • Inwiefern können Konflikte dadurch vermieden werden, dass sich Nachbarn gut kennen?

    Das Kennen der Hobbies und Interessen und auch das Wissen über die Sorgen des Anderen tragen dazu bei, einen Menschen besser verstehen zu können, Empathie und Verständnis überhaupt zulassen zu können. Ein Beispiel: Ich weiß um die privaten und beruflichen Umstände meines Nachbarn. Ich rege mich nicht gleich auf, wenn ich seine Schuhe im Flur vor der Haustür verteilt finde, weil ich weiß, sobald er vollbeladen mit eingekauften Lebensmitteln die Türschwelle seiner Wohnung passiert, schaltet er ab und vergisst, dass seine Schuhe noch im Flur rumliegen.

    Das bedeutet nicht, dass ich mich mit meinen Bedürfnissen zurücknehmen und jeden Zustand akzeptieren muss. Durch die Vernetzung entsteht aber eine sehr gute Kommunikationsgrundlage. Ich denke, es minimiert auch das Risiko der Vorwürfe und Schuldzuweisungen und ermöglicht, einen Konflikt gar nicht erst ernsthaft entstehen zu lassen.

  • Als Mediatorin hilfst du täglich, Streitigkeiten beizulegen. Hast du persönlich trotzdem auch manchmal Stress mit deinen Nachbarn?

    Ich habe in meiner Nachbarschaft in Braunschweig wirklich super Nachbarn. Natürlich wird mal die Kellertüre zugeschlagen oder der Müll nicht richtig sortiert, aber ich persönlich habe noch keine Konflikte miterlebt. Streitigkeiten beobachte ich eher in meiner weiteren Nachbarschaft. Deshalb biete ich meinen Nachbarn auch über nebenan.de an, zu einem unverbindlichen und kostenlosen ersten Vorgespräch zu kommen. Es ist ein großer Schritt, über den eigenen Schatten zu springen und die Lösung anzugehen. Zu wissen, dass auch jemand aus der Nachbarschaft dabei helfen kann, erleichtert es, diesen Schritt zu gehen.

20% streiten über Lärm, 12% haben Ärger mit dem Auto des Nachbarn, besagt die WDR-Umfrage
Die meisten Nachbarn in NRW streiten sich wegen Lärm, besagt die WDR-Umfrage zum Thema "Streit mit dem Nachbarn" (Screenshot: WDR.de)

Nachbarn, die sich kennen, streiten seltener.
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Hannah Kappes | nebenan.de

Hannah Kappes arbeitete bis Juni 2023 im Kommunikationsteam von nebenan.de.