Gemeinsam für Demokratie: Die Kraft der Gegenrede in der Nachbarschaft
Eben ging es im Beitrag auf der Nachbarschaftsplattform nebenan.de noch um die Suche nach einer neuen Wohnung, drei Kommentare weiter unten wird plötzlich über Bundespolitik zum Thema Wohnungsbau und Migration gesprochen. Die Diskussion eskaliert – und resultiert in Unmut und häufig in Rückzug der Nachbar:innen. Dies möchten wir verhindern.
Wir haben drei Expert:innen zu ihren Erfahrungen und Tipps für die Beteiligung an kontroversen Diskussionen befragt. Diese Ratschläge sollen dich unterstützen, eine respektvolle und verbundene Nachbarschaft zu fördern.
Desinformation: Was ist das und warum ist sie so gefährlich?
Desinformation bezeichnet absichtlich falsche oder irreführende Informationen, die verbreitet werden, um die öffentliche Meinung zu manipulieren, zu verunsichern oder Schaden zu verursachen (Liberties, 2021). Sie kann Nachbar:innen verunsichern und gegeneinander aufbringen, indem sie falsche oder ungesicherte Informationen und Vorurteile verbreitet.
Thomas Laschyk, Gründer des Blogs Volksverpetzer, einem News-Blog gegen Fake News, Desinformation und Wissenschaftsfeindlichkeit teilt sein Wissen mit uns:
Wie kann Desinformation erkannt und vermieden werden und wie können Nachbar:innen am besten darauf reagieren?
Es gibt kein Universalrezept, Desinformation zu erkennen. Es kann allen passieren, auf falsche Informationen hereinzufallen. Um dies zu vermeiden, solltest du vorsichtig mit Inhalten umgehen – besonders wenn sie plausibel erscheinen. In den sozialen Medien nehmen wir alle eine journalistische Rolle ein, wenn wir Informationen teilen. Wir müssen uns dieser Verantwortung bewusst werden und entsprechend handeln. Es ist ratsam, im Zweifel vom Teilen abzusehen und vertrauenswürdige Quellen zu nutzen.
Wichtig ist zudem, andere behutsam aufzuklären. Achte dabei darauf, die Information von der Person zu trennen, um Angriffsgefühle zu vermeiden. Freundliche und verständnisvolle Gespräche, idealerweise offline sowie kritische Rückfragen können mehr bewirken als Vorträge.
Was könnte im Zusammenhang mit der Verbreitung von Desinformation kontraproduktiv sein und sollte besser vermieden werden?
Verneine nicht einfach nur die Desinformation, sprich die Wahrheit aus!
Bei der Aufklärung über Desinformation ist es wichtig, Fakes nicht durch Wiederholung zu verstärken, da dies nur ihre Reichweite erhöht. Fakten und Faktenchecks sollten im Vordergrund stehen, um den Diskurs positiv zu beeinflussen.
Gegenrede statt Rückzug
Begegnest du Hassrede und falschen Informationen mit Gegenrede, signalisierst du deutlich, dass du diese nicht akzeptierst. Ein Rückzug kann hingegen als Einverständnis gewertet werden und zur Normalisierung von gewaltvoller Sprache und Verzerrung des Meinungsbildes beitragen.
Hanna Gleiß ist Co-Geschäftsführerin und Co-Gründerin von Das NETTZ, der einzigen Vernetzungsstelle gegen Hass im Netz seit 2017, welche digitale Zivilcourage und eine konstruktive Diskurskultur fördert. Im Interview möchten wir von ihr wissen:
Siehst du auf nebenan.de eine Möglichkeit, Demokratie auf lokaler Ebene zu fördern?
In der Nachbarschaft können wir Menschen mit anderen Lebensrealitäten begegnen, was Herausforderungen und Chancen bietet. Gelungene Einstiege bieten unverfängliche Themen, die Gemeinsamkeiten aufzeigen. Bei nebenan.de verbindet die gemeinsame Nachbarschaft und der Wunsch, diese zusammen zu gestalten.
Welche Rolle spielt Gegenrede auf Online-Plattformen?
Wichtig ist, dass Menschenfeindlichkeit, Desinformation und rechtsextreme Verschwörungserzählungen keinen Platz im Netz erlangen. Dagegen gilt es mit klaren Regeln und gezielter Moderation vorzugehen. Hass und Vorurteile müssen benannt und gemeldet werden. Ziel bei Diskussionen sollte stets sein, Betroffene zu stärken, menschenfeindlichen Ideologien zu widersprechen und nicht impulsiv zu reagieren, sondern vor dem Antworten erst einmal tief durchzuatmen.
Strafbare Inhalte wie Volksverhetzung sollten auf der Plattform gemeldet werden und gegebenfalls zur Anzeige gebracht werden. Das kannst du entweder vor Ort bei einer Polizeidienststelle, direkt bei der Staatsanwaltschaft oder online über die Internetwache deines Bundeslandes tun.
Mehr zum Thema effektive Bekämpfung von Hass im Netz, konkrete Argumentationshilfen, interaktive Übungen und Tipps zur Gegenrede kannst du in unserem Hilfecenter erfahren.
Was sind die besten Strategien, die Nachbar:innen auf nebenan.de anwenden können, um eine demokratiefördernde Umgebung mitzugestalten?
Fokussiere dich auf das solidarische, nachbarschaftliche Miteinander und nutze respektvolle Sprache. Vermeide aggressive Konfrontationen und persönliche Auseinandersetzungen und strebe eine offene, respektvolle Diskussion an, ohne Überzeugungsdruck. Beende das Gespräch, wenn es nicht konstruktiv bleibt.
Widerspreche antidemokratischen, radikalisierenden und menschenfeindlichen Äußerungen und melde sie gegebenenfalls.
Betone die Bedeutung von Menschenrechten, Toleranz und Gleichberechtigung als demokratische Grundprinzipien. Verdeutliche, wie eine tolerante Gesellschaft von Vielfalt und Respekt profitiert.
Tipps für den Umgang mit digitalen Debatten
Judith Strieder von HateAid, einer gemeinnützige Organisation, die sich für Menschenrechte im digitalen Raum einsetzt und sich auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene gegen digitale Gewalt und ihre Folgen engagiert, verrät uns Tipps für den effektiveren Umgang mit schwierigen Diskussionen:
Wie können wir mit konfrontativen und emotionalen politischen Diskussionen am besten umgehen?
Bleibe im Diskurs sachlich: Die Sätze sollten kurz, klar und verständlich formuliert werden.
Wahre deine innere Haltung und vermeide gewaltvolles und beschuldigendes Auftreten.
Sollte eine Diskussion mehr als dreimal hin und her gehen, breche sie im Zweifel ab, um eine Eskalation zu vermeiden.
Bei welchen politischen Diskussionen ist es sinnvoll, sich zu beteiligen und wann sollte man lieber aussteigen?
Das Internet ist ein öffentlicher Raum, an dem alle die Möglichkeit haben sollten teilzuhaben. Bei aufgeheizten Diskussionen ist es ratsam, digitale Zivilcourage zu zeigen, indem du Betroffene direkt anschreibst und Unterstützung zeigst oder einen positiven Kommentar verfasst.
Wie lassen sich die eigene psychische Gesundheit und das Engagement für Demokratie vereinen?
Psychische Stabilität ist wichtig, um andere zu unterstützen und sich für Demokratie einsetzen zu können, sei es digital oder analog. Es ist nicht zu unterschätzen, was digitale Angriffe mit der psychischen Verfassung machen können. Sie können ebenso belastend sein wie analoge. Daher sollte man auf die eigene mentale Gesundheit achten. Bei Symptomen wie Schlafstörungen, Konzentrationsproblemen, Angst oder depressiver Stimmung ist es wichtig, Hilfe zu suchen und sich selbst zu stabilisieren.
Die Interviews zeigen, wie wichtig und kraftvoll Gegenrede sein kann. Demokratie ist nicht selbstverständlich – wir alle gestalten sie mit und tragen gemeinsam Verantwortung, auch in unserer digitalen Nachbarschaft. Die Plattform öffnet den Weg für ein stärkeres Miteinander in der Gesellschaft, indem sie Nachbar:innen zusammenbringt, die sonst möglicherweise keinen Kontakt zueinander hätten. Beteilige dich aktiv und unterstütze uns dabei, unsere Demokratie, das gesellschaftliche Miteinander und den Zusammenhalt in schwierigen politischen Zeiten zu stärken!
Du möchtest deine Nachbar:innen besser kennenlernen? Vernetze dich bei nebenan.de mit Menschen in deiner Umgebung und werde ein aktives Mitglied deiner Nachbarschaft.
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