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Weniger Lebensmittel wegschmeißen: So geht Foodsharing in der Nachbarschaft


Michaela aus Oldenburg ist Lebensmittelretterin aus Leidenschaft: Seit Dezember 2018 ist die junge Mutter bei foodsharing.de aktiv. Übers Internet wird die Verteilung der Lebensmittel zum Kinderspiel: Bei nebenan.de erfahren ihre Nachbarn, wann und wo sie die geretteten Lebensmittel abholen können.

„Eigentlich habe ich dafür keine Zeit“, erzählt Michaela aus Oldenburg. Die junge Frau kümmert sich um ihren kleinen Sohn, hat drei Jobs und besucht nebenbei die Abendschule. Trotzdem engagiert sie sich seit mehreren Monaten begeistert für „Foodsharing“, das Retten von Lebensmitteln. „Es macht mir einfach Spaß und ist mir sehr wichtig – sozusagen mein zweites Baby“, lacht Michaela.

Los ging‘s im Dezember 2018, als eine Arbeitskollegin sie auf die Seite foodsharing.de aufmerksam machte. Michaela war sofort Feuer und Flamme. Sie war entsetzt als sie erfuhr, dass jedes Jahr Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden. Das Konzept von foodsharing.de, diese Lebensmittel vor der Tonne zu retten, gefällt ihr auf Anhieb – sie meldet sich auf der Seite an und ist seither begeisterte Lebensmittelretterin.

„Man sieht, wie die Erde unter uns Menschen leidet“, erklärt Michaela. Oft fällt es ihr schwer, mit anderen über ihren Weltschmerz zu sprechen. Viele haben kein Interesse, ihre Gewohnheiten zu ändern. Das will Michaela ändern:

Ich hoffe, durch meine Initiative den Leuten die Augen zu öffnen. Nicht durch Kritik, sondern durch die positive Aktion: Essen verschenken!

Wohin mit den Lebensmitteln?

Über foodsharing.de erfährt Michaela regelmäßig, bei welchen Betrieben Lebensmittel übrig geblieben sind und darauf warten von ihr vor der Tonne gerettet zu werden. Anfangs verteilt sie die geretteten Lebensmittel an ihren Freundeskreis, später auch an ihre Mitschüler im Abendgymnasium. Doch die Mengen an Essen sind groß ­– zu groß für ihren Bekanntenkreis.

Eine Lösung muss her, denn wo ist der Sinn, wenn das gerettete Essen am Ende doch im Müll landet, weil es zu wenige Abnehmer gibt? Michaela denkt an eine große öffentliche Verteilung – nur wo die Aktion stattfinden könnte, weiß sie noch nicht.

In ihrer Nachbarschaft gibt es eine Kirche mit großem Vorplatz. Kurzentschlossen spricht sie den Pastor an und erzählt ihm von ihrer Idee, eine große Foodsharing-Aktion im Viertel zu organisieren. Ihr Vorschlag trifft auf große Zustimmung: Der ersten großen Verteilung von geretteten Lebensmitteln in ihrer Oldenburger Nachbarschaft Bürgeresch steht nichts mehr im Wege.

Gerettete Lebensmittel für alle

Bei nebenan.de informiert Michaela ihre Nachbarschaft über die bevorstehende Essensverteilung:

(Screenshot: nebenan.de)

„Foodsharing - kostenlose Lebensmittel von Betrieben abzugeben

Hallo liebe Nachbarn. Ich bin Teil ein Foodsavergemeinschaft und wir haben oft große Mengen an Lebensmittel, die wir noch verteilen möchten, damit diese nicht weggeschmissen werden müssen. Ich habe vor morgen Nachmittag (Donnerstag) das erste Mal kostenlos Lebensmittel an jeden zu verteilen, der sie haben möchte.

Dabei geht es nicht darum ob man Geld hat oder nicht. Es geht um Nachhaltigkeit, darum dass täglich Tonnen von essbaren Lebensmitteln weggeschmissen werden. Deswegen kann jeder gerne kommen und sich so viel mitnehmen, wie er essen kann."

Die Resonanz der Nachbarn ist groß und Michaela beschließt, ihre Idee spontan am nächsten Tag umzusetzen. „Ich war sehr aufgeregt“, erinnert sie sich. Tausend Fragen schwirren ihr im Kopf herum: Werden überhaupt Leute kommen? Werden alle Lebensmittel Abnehmer finden?

Doch ihre Sorgen sind unbegründet. Ihr Aufruf geht viral und verbreitet sich schnell auch bei Twitter. Am Ende kommen rund 150 Oldenburger vorbei. „Das war extrem! Alle haben was mitgenommen und zum Schluss war kein Essen mehr übrig“, erzählt Michaela begeistert.

Auch ihre Nachbarn bei nebenan.de freuen sich über ihre Initiative und alle sind sich einig: Das sollte regelmäßig stattfinden! Michaela ist froh über die positive Rückmeldung aus der Nachbarschaft – endlich weiß sie, dass es genügend Abnehmer für das gerettete Essen gibt:

Bei nebenan.de erreiche ich die Leute, die spontan vorbeikommen können, um sich etwas von den geretteten Lebensmitteln zu holen, denn die Wege in der Nachbarschaft sind kurz.

 Die ganze Nachbarschaft im Foodsharing-Fieber

Nach dem großen ersten Erfolg will Michaela auf jeden Fall weitermachen. „Es war anstrengend aber auch erfüllend. Ich bin jetzt richtig angefixt“, erklärt sie. Mittlerweile bekommt sie auch tatkräftige Unterstützung aus der Nachbarschaft. Zum Beispiel arbeitet eine Nachbarin im Tierheim und nimmt Michaela immer gerne Möhren und anderes Gemüse für die Tiere ab.

Bei nebenan.de hat Michaela eine Foodsaving-Gruppe gegründet, dort tauscht sie sich mit ihren Nachbarn aus, teilt Informationen und organisiert die nächsten Aktionen:

(Screenshot: nebenan.de)

„Foodsharing diesen Freitag

Diesen Freitag werden wir kostenlos und bedingungslos Lebensmittel verteilen an jeden der will. Es handelt sich dabei um Lebensmittel, die wir vorher von Betrieben abgeholt haben, die sonst weggeschmissen worden wären.

Es gibt Brot und Brötchen vom Vortag und auch Gemüse und Obst. Also bringt eure Taschen mit und packt ein was ihr gebrauchen könnt!

Dabei geht es nicht um arm oder reich. Es geht um Nachhaltigkeit und Lebensmittelverschwendung! Wir freuen uns über jeden Abnehmer und gehen erst nach Hause wenn alles weg ist!“

„Ich finde es toll, dass die Aktion so gut ankommt. Die Leute kommen aus der Nähe, und müssen nicht mal ins Auto steigen, um sich etwas von den Lebensmitteln zu holen“, freut sich Michaela. Ganz nebenbei hat sie bei einer Verteil-Aktion eine alte Bekannte wiedergetroffen. Der Kontakt war sechs Jahre lang eingeschlafen: „Über fünf Ecken hat meine alte Freundin von der Foodsharing-Aktion erfahren und stand auf einmal einfach vor mir“, lacht Michaela.

Sie freut sich auf viele weitere schöne Begegnungen mit alten und neuen Bekannten in ihrer Nachbarschaft – und darauf, dass nichts von dem von ihr geretteten Essen in der Tonne landen muss. 


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Johanna Falkenstein | nebenan.de

Johanna unterstützt das Kommunikationsteam von nebenan.de seit April 2018. Unter anderem beschäftigt sie sich mit Begegnungsformaten in der Nachbarschaft – online und offline.