Bild: pexels.com
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Nachbarschaftshilfe auf der Straße: Yaren aus Nürnberg hilft obdachlosem Paar


Nicht jeder hat ein warmes, gemütliches Zuhause: Über 50.000 Menschen leben laut Schätzungen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe in Deutschland auf der Straße. Bei einem Spaziergang durch ihre Nachbarschaft entdeckt Yaren ein Zelt unter einer Brücke und will helfen.

Yaren* liebt es, am See in ihrer Nachbarschaft walken zu gehen. Eines Morgens im Oktober entdeckt sie bei ihrer Runde ein Zelt unter einer Brücke, aus dem ein junger Mann ins Freie krabbelt. Yaren beschließt, ihn anzusprechen. Immerhin steht der Winter vor der Tür und das Zelt scheint nicht besonders warm. „Hallo, kannst du irgendetwas bestimmtes gebrauchen?“, fragt sie ihn.

Auf Suche nach Gemeinschaft

Yaren kommt aus einer Großfamilie. Mit fünf Jahren ist sie mit ihrer Familie aus der Türkei nach Deutschland gekommen. Heute lebt Yaren alleine, ihre Familie ist zum Großteil wieder in die Türkei zurückgekehrt. In Nürnberg hatte sie nur einen kleinen Freundeskreis. Oft fühlte sie sich einsam.

„Ich hatte damals schwerwiegende private Probleme und große Angst, meine Wohnung zu verlieren“, erinnert sie sich. So weit kam es zum Glück nicht. Yaren bekam Hilfe und konnte ihr Leben neu aufbauen.

Bei der Nachbarschaftsplattform nebenan.de lernt sie schließlich einige Nachbarinnen kennen. Mit ihnen geht sie wandern und spazieren, sie besucht einen Stammtisch und organisiert Kleidertausch-Treffen in der Nachbarschaft.

Mittlerweile fühlt sie sich aufgehoben, gemocht. Aber die Erinnerung an die schwere Zeit sitzt tief. Das ist ein Grund, warum sie beim Elend anderer nicht mehr wegschauen möchte, sondern ihren Mitmenschen helfen will so gut sie kann.

Es ist schön, wenn man sich in der Nachbarschaft spontan treffen und helfen kann. Das Gefühl von Einsamkeit nimmt dadurch ab.

Warme Decken und Mitgefühl

Am Zelt unter der Brücke erfährt Yaren von dem jungen Obdachlosen, dass er vor allem warme Decken gebrauchen kann. Gemeinsam mit einer jungen Frau lebt er in dem Zelt am See. Die Nächte werden länger und das Zelt schützt nur dürftig vor der Kälte.

Yaren besitzt leider keine zusätzlichen Decken und bittet daher ihre Nachbarn bei nebenan.de um Hilfe. Sie schreibt in ihrem Beitrag:

(Screenshot: nebenan.de)

Obdachlosenhilfe

"Liebe Nachbarn, der Obdachlose unter der Brücke am See bittet um Decken für den Winter. Falls jemand Decken übrig hat, kann man sie mir bringen und ich leite sie weiter, oder selber hinbringen."

Über zehn Nachbarn antworten auf ihren Aufruf. Von so viel Anteilnahme und Hilfsangeboten ist Yaren überwältigt.

„Ich hätte nicht gedacht, dass so viele Leute reagieren und helfen wollen. Das war Wahnsinn.“

In den nächsten Tagen bringen viele Nachbarn Decken, Kissen und warme Kleidung bei Yaren vorbei. Da ist zum Beispiel Carsten, der sie mit ganz viel Kleidung für die Obdachlosen versorgt. "Das war viel zu viel, um es mit meinem Fahrrad zu transportieren", erinnert sie sich. Da springt ihr Nachbar Kurt ein und gemeinsam bringen sie die Sachen mit dem Auto zum Zelt unter die Brücke.

Yaren ist sich sicher: "Ohne die beiden hätte ich das nicht geschafft". Die beiden Zeltbewohner nehmen die Spenden mit Freude und Dankbarkeit entgegen. "Auf jeden Fall sind sie jetzt für den Winter gerüstet."

Spontane Nachtwanderung

Auch ein junges Ehepaar aus der Nachbarschaft steht eines Abends mit einer Matratze bei Yaren vor der Tür. Gemeinsam machen sich die drei mit dem Auto auf den Weg, um die Matratze zu übergeben. „Es war gar nicht so leicht, den genauen Standort des Zelts bei Dunkelheit mit dem Auto zu erreichen“, erzählt Yaren.

Letztendlich müssen sich die Nachbarn ein gutes Stück im Dunkeln durch Gebüsch und Gräser voran tasten. Yaren lacht, als sie von der Übergabeaktion erzählt: Ihr Nachbar musste die Matratze den ganzen Weg vom Auto zum Zelt auf dem Kopf durch das Gebüsch tragen.

Am Ziel angekommen überraschen sie das Paar mit der Matratze und noch mehr warmen Decken und Kissen. „Sie haben sich tierisch gefreut“, berichtet Yaren.

Starke Nachbarschaft 

„Toll, dass Nachbarschaftshilfe hier so gut funktioniert“, findet Yaren. Sie bedankt sich bei nebenan.de für die Unterstützung der Nachbarn:

(Screenshot: nebenan.de)

"Liebe Nachbarn, vielen Dank für so viel Hilfe. Die sind jetzt erstmal mit Decken und Schlafsäcken versorgt. Großes Staunen und Dankbarkeit war die Reaktion. Liebe Grüße aus Schoppershof.“

Auf ihren Walking-Runden am See läuft Yaren noch immer regelmäßig am Zelt vorbei. Manchmal spricht sie die Zelt-Bewohner an, manchmal nicht. „Ich mache das nach Gefühl“, erklärt sie. Jeder brauche schließlich seine Privatsphäre, egal ob man in einer Wohnung, einem Zelt oder auf der Straße lebt, findet Yaren.

Gemeinsam sind wir stark!

Wie viel man gemeinsam erreichen kann, hat Yaren von der Hilfsaktion mit ihren Nachbarn gelernt. Sie findet es schön, dass sie den beiden jungen Leuten eine kleine Freude machen konnte.

„Wir haben es warm und das ist nicht selbstverständlich“, findet Yaren. „Meistens weiß man Dinge erst zu schätzen, wenn man sie verloren hat.“

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*Name von der Redaktion geändert.

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Johanna Falkenstein | nebenan.de

Johanna unterstützt das Kommunikationsteam von nebenan.de seit April 2018. Unter anderem beschäftigt sie sich mit Begegnungsformaten in der Nachbarschaft – online und offline.