Expert:innen sprechen davon, dass die Digitalisierung und Globalisierung zu einer neuen Form kollektiver Einsamkeit führt – inwiefern können gut funktionierende Nachbarschaften hier entgegenwirken?
Ina Remmers: Ich finde es sehr alarmierend, dass immer mehr Menschen in Deutschland unter Einsamkeit leiden. Wir sind heute zwar global vernetzt und können mit Menschen aus der ganzen Welt kommunizieren. Diese Kommunikation hilft jedoch nicht immer dabei, dass wir uns als Teil einer sich unterstützenden Gemeinschaft fühlen. Bekanntschaften aus dem direkten Umfeld sind dagegen ein effizientes Mittel gegen Einsamkeit. Mit nebenan.de bieten wir ein digitales Tool, worüber sich Menschen online vernetzen könne, um sich offline zu treffen.
nebenan.de hilft dabei, das Gefühl von Anonymität zu reduzieren und fördert die Identifikation und Verbundenheit mit der eigenen Nachbarschaft.
Um hier mal ein konkretes Beispiel zu nennen: Im Rahmen unserer jährlichen Aktion "Weihnachten nebenan" hat Ulla aus Koblenz ihre Nachbar:innen über nebenan.de zum Weihnachtsessen eingeladen. Mit am Tisch saß Edgar, 75 Jahre alt und verwitwet: Dies wäre sein drittes Weihnachten allein in Folge – wäre da nicht die Einladung von Ulla gewesen.
Das heißt, Digitalisierung und soziale Netzwerke führen nicht zwangsläufig zu sozialer Entfremdung?
Ina Remmers: Richtig! In einer globalisierten Welt gewinnt der Ort, an dem wir leben, an Bedeutung: Nachbarschaften können in einer immer undurchsichtigeren Welt das Gefühl von Zugehörigkeit und Sicherheit vermitteln. Dieses Gemeinschaftsgefühl möchten wir mit nebenan.de stärken. Wir kennen ganz viele Beispiele, bei denen aus Nachbar:innen echte Freunde geworden sind. Über die Plattform verabreden sie sich zuerst unverbindlich zum Feierabendbier, Tischtennis oder Kino und merken dann: „Wow, da wohnen ja richtig nette Menschen in meiner Nähe!”.
Dass wir mit unseren Vision erfolgreich sind, zeigen auch die Ergebnisse des aktuellen Wirkungsberichts: 67 Prozent der regelmäßigen nebenan.de-Nutzer:innen fühlen sich in ihrer Nachbarschaft zu Hause. Bei den neu registrierten Nutzer:innen sind es nur 58 Prozent.
Der Umgangston in sozialen Medien ist nicht immer respektvoll und freundlich – inwiefern unterscheidet sich nebenan.de hier von Facebook und Co.?
Ina Remmers: Bei anderen sozialen Netzwerken sorgt die räumliche Distanz und die empfundene Anonymität zwischen Gesprächspartner:innen oftmals dafür, dass sich Beleidigung, Streit und Hetze ausbreiten. Auf nebenan.de herrscht aufgrund der lokalen Nähe und der Klarnamenpflicht ein überwiegend vertrauens- und respektvoller Umgang. Der Fokus von nebenan.de liegt auf dem gesellschaftlichen Miteinander und gegenseitiger Unterstützung. Die hohe Bereitschaft, anderen zu helfen und der soziale Charakter sind ausschlaggebend für den positiven Umgangston – online sowie offline.
Dies bestätigen auch unsere Nutzer:innen: Bei einer Umfrage unter den engagiertesten Mitgliedern gaben 92 Prozent (von 827 Befragten) an, dass sie die Gesprächskultur bei nebenan.de als angenehmer empfinden als bei anderen sozialen Netzwerken.
Dies sehen wir aktuell vor allem durch den Krieg in der Ukraine: Über nebenan.de vernetzen sich deutschlandweit Nachbar:innen, um Geflüchteten das Ankommen in Deutschland zu erleichtern.
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